Digital Leadership – So fern und doch so nah!

Kann man arbeiten, sein Team führen und Prozesse koordinieren obwohl alle von verschiedenen Orten aus arbeiten? Was passiert wenn es sich nicht nur um verschiedene Orte, sondern auch verschiedene Länder, verschiedene Temperaturen, verschiedene Zeitzonen und verschiedene Kulturen handelt? Wie sieht ein dafür notwendiger Führungsstil aus und welche Voraussetzungen muss es innerhalb des Teams geben, damit eine Zusammenarbeit erfolgreich funktioniert? Das sind einige der zentralen Fragen, die ich mir als Verantwortliche für das Marketing- und Sales-Team in den vergangenen Tagen im Rahmen unseres kleinen Projekts #Perspektivwechsel gestellt habe. 

Die virtuelle Kaffeemaschine

Meine TeamkollegInnen sitzen in Augsburg und Abhorn. Dort schneit es und die Temperaturen liegen unter null Grad. Ich sitze in Lagos, Nigeria. Bei mir sind es jeden Morgen bereits angenehme 24 Grad, ich trinke meinen Kaffee auf dem Balkon mit Blick auf das Meer. Um 8:15 Uhr beginnen wir mit unserem Tagesstart via Skype. Skype ist unser internes Kommunikationsmedium. Der Status zeigt uns auch an, ob jemand für ein Gespräch verfügbar ist. Lisa und Stephan sitzen in warmen Pullis vor dem Laptop, während ich bei Sommertemperaturen die leichte Meeresbrise genieße. Man könnte sich jetzt fragen, ob das fair ist. Tun wir aber nicht. Wir unterhalten uns kurz über Privates, wie es uns geht, und ob etwas Besonderes ansteht. Da wir nicht physisch alle an einem Ort sitzen, wo wir uns zufällig mal über den Weg laufen könnten, ist dieser gemeinsame Austausch und Start in den Tag für uns als Team sehr wichtig. Es geht darum ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was uns bewegt oder nervt und was uns, auch neben der Arbeit, aktuell beschäftigt. Das ist quasi unser Ersatz für einen kurzen Talk an der Kaffeemaschine.

Dann legen wir los. Wir besprechen, welche zentralen Aufgaben uns an diesem Tag erwarten und wo wir gegenseitige Unterstützung benötigen. Dieses Tagesstart-Meeting dauert in der Regel 15–20 Minuten. Ich sehe meine Hauptaufgabe als Teamleitung darin, alle Aktivitäten im Blick zu haben, die Fäden zusammenzuhalten und Barrieren, die sich dem Team während des Prozesses präsentieren, aus dem Weg zu räumen. Für unsere Aktivitäten im Marketing und im Vertrieb haben wir je ein geteiltes Dokument, in dem wir mitschreiben, woran wir arbeiten oder mit wem wir gesprochen haben. Wir nennen das Log. Hier geht es für mich nicht darum ein Team zu kontrollieren, sondern der Log unterstützt mich darin, meinen oben formulierten Aufgaben nachzukommen. Ein URL Link zu einem Dokument oder einer Seite reicht und ich bin sofort im Bilde, wo es Probleme oder eine Frage gibt. Durch diese Transparenz bin ich in der Lage schnell zu unterstützen und zwar unabhängig davon, wo ich mich gerade befinde. Für mich ist es genau das, was den in diesen Tagen immer mehr an Wichtigkeit gewinnenden Begriff „Digital Leadership” mit Leben füllt.

Was ist Digital Leadership?

Googelt man danach, wird schnell deutlich, dass es zwar viele Erklärungen, aber keine klare Definition gibt. Digital Leadership wird als zukunftsfähiger Führungsstil verstanden. Dieser beinhaltet neben einem neuen Verständnis von Führung im Allgemeinen auch den Einsatz digitaler bzw. smarter Instrumente. Im Kern sind diese Personen dazu in der Lage, sich flexibel auf die sich schnell ändernden Anforderungen einzustellen und das gesamte Team mitzunehmen. Während das Bild einer Führungskraft früher vielleicht das einer allwissenden Person war, gilt es heute als große Stärke, ein Netzwerk an Menschen aufzubauen, die Experten in ihren individuellen Bereichen sind, und diese für das eigene Team zu gewinnen. Klar zählt es auch zu den Aufgaben einer Führungskraft die Arbeitsleistung des Teams zu kontrollieren. Das passiert aber nicht durch Reporting im klassischen Sinne, sondern nach der SMART-Logik: S = spezifisch, M = messbar, A = attraktiv, R = realistisch und T = terminiert. Dadurch wird regelmäßig geprüft, ob der eingeschlagene Kurs passt. Am Ende zählt, ob alles rechtzeitig fertig ist und den anfangs definierten Anforderungen entspricht.

Für mich ist Digital Leadership eine Form der partizipativen Teamführung. Alle in meinem Team haben unterschiedliche Stärken und Schwächen und diese muss ich als Teamleitung nicht nur kennen sondern auch entsprechend fördern. Durch die offene Kommunikation miteinander können wir uns bei Schwächen unterstützen und unsere Stärken zum optimalen Wohl der Unternehmung einsetzen. Obwohl ich mich aktuell auf einem anderen Kontinent (Afrika) befinde, habe ich nicht das Gefühl weniger für mein Team da zu sein. Dank Internet stehe ich immer in direktem Austausch mit ihnen. Die Transparenz in unserer Arbeitsweise fördert das gegenseitige Vertrauen, denn was jeder von uns leistet, wird unmittelbar sichtbar. Wenn ich nun also die gängigen Beschreibungen dessen was „Digital Leadership“ ist lese, wird mir bewusst, dass dies gar kein neuer Führungsstil für mich und unser Unternehmen ist, sondern immer schon gängige Praxis. Neben partizipativer Teamführung sind Vertrauen und eine aktive Fehlerkultur zentrale Bestandteile meines Verständnisses von digital Leadership. Nur aus Fehlern können wir lernen, entstehen Dinge die besser sind und entwickeln sich Innovationen. Gegenseitiges Vertrauen in uns und unsere Fähigkeiten ist Grundlage für das Interesse an und den Mut zur Weiterentwicklung.

Ich würde sogar an dieser Stelle behaupten, dass es heute wichtig für eine Führungskraft ist, sich immer mal wieder aktiv in neue und ungewohnte Kontexte zu begeben. Warum? Um zu lernen und um sich selbst weiterzuentwickeln und heute unerlässlich, um das eigene Netzwerk auszuweiten.

BarCamp Feeling bei der Arbeit

Die Zeit hier in Lagos ist eine Art BarCamp für mich. Diese pulsierende Stadt ist voll von jungen Entrepreneurs und kreativen Köpfen. Unabhängig davon, in welchen sozialen Schichten sie sich bewegen, eine Sache verbindet sie alle: Social Media. Sie sind auf Instagram, Facebook und Twitter, um sich und ihr Tun zu vermarkten. Ich habe beinahe das Gefühl, das Online- und Digital-Sein fließt wie Blut in ihren Adern. Der natürliche Umgang und die Faszination für neue digitale Lösungen sind beeindruckend. Neben all diesen, für mich sehr energiespendenden Eigenschaften der Stadt, gibt es auch vieles was nervig und unangenehm ist wie Stau, endlos scheinende Diskussionen auf dem Markt und eine immer latent mitschwingende Unverbindlichkeit bei Verabredungen. Nichtsdestotrotz empfinde ich diesen #Perspektivenwechsel als unglaublich kraft- und wertvoll. Die vielen Gespräche und Eindrücke, die ich mit nach Hause nehme, werden in unsere Arbeit und unser Tun einfließen.