Meine Auszeit: Vom Suchen und Finden von Achtsamkeit zwischen Mutterrolle, Karriere und der hohen Kunst des Nichtstuns
Unsere Mitarbeiterin Lisa Welde schreibt über ihre Gedanken und Hintergründe für ihre sechsmonatige Auszeit, schildert ihre persönlichen Hürden
in der ersten Zeit ihren Sabbaticals und beschreibt, wie sie es geschafft hat, mehr Achtsamkeit und Ruhe für ihren Alltag zu gewinnen.
Ein Gedanke, ein Bauchgefühl
Einfach mal runterfahren, durchatmen und neu sortieren. Diese Ziele habe ich mir für meine Auszeit gesteckt. Den Kopf wieder frei bekommen und meine eigenen Gedanken mal wieder hören: Das war für mich ein Zustand, den ich unbedingt wieder erreichen wollte. Irgendwo zwischen einem schlechten Bauchgefühl der nahen Zukunft entgegen und einer ständigen Rastlosigkeit im Kopf, kam vor etwa einem Jahr der zarte Gedanke in mir auf, eine Pause einzulegen.
Zwischen Grundschullehrerin & Digitalisierungsprofi
Die vergangenen Jahre unter Pandemiebedingungen forderten mir in verschiedenen Doppelrollen einiges ab. Als nicht systemrelevant, hatte ich keinen Anspruch auf Kinderbetreuung. Daher fand ich mich die meiste Zeit der letzten 3 Jahre mit meinen Kindern im Homeoffice wieder. Ich war also nicht nur für den Ghostthinker Vertrieb zuständig, sondern auch nebenberuflich Grundschullehrerin für meine Tochter und Kindergärtnerin für meinen Sohn. Während die Digitalisierung durch Covid an Fahrt aufnahm und die Arbeit somit zunahm, habe ich in den Pausen Mathe, Deutsch und Sachunterricht gegeben oder gemalt, gebastelt, gekocht und Tränen getrocknet. Dieser Zustand war für mich als „Phase“ gut zu stemmen, aber nach immer wiederkehrenden Lockdowns und andauerndem Ausnahmezustand sind die Akkus doch leergelaufen. Es war also definitiv an der Zeit, mal den Reset Knopf zu drücken.
Alle Zeichen Richtung Reset
Ganz klassisch ein Sabbatical nehmen ist als Zweifach-Mama natürlich nicht so einfach. Mal eben auf Reisen gehen oder easy in den Tag reinleben, fällt da schon mal aus. Mir war also von Anfang an klar, dass ich diese Zeit auch meiner Familie widmen würde. Der Plan stand also schnell fest.
Vormittag Sabbatical, Nachmittag Elternzeit: Kann das gut gehen?
Ich starte also in ein sechs monatiges Sabbatical alias Elternzeit, voller Erwartungen an mich selbst. Von März bis August wage ich die „Pause“. Meine Gedanken sahen ungefähr so aus: „Ach lass alles zusammen machen – Sabbatical, Elternzeit und trotzdem etwas bei Ghostthinker am Ball bleiben. Das wird super!“ - typisch Leistungsgesellschaft, weiß ich heute.
Eigene und Fremd-Erwartungen überwinden
Jetzt, mit etwas neuer Erfahrung und dem Rückblick auf meine Auszeit, ist mir klar, wir haben verlernt, sparsam mit unseren Ressourcen umzugehen. Menschliche Faulpelze sind als unsozial verpönt, weil sie viel zu wenig zum gesellschaftlichen Leben beitragen. Daher werden selbst in Auszeiten Erwartungen an uns gestellt. Wir müssen die Welt sehen oder Yoga machen, wir müssen tolle Bilder teilen und glücklich sein. Wir schreiben vielleicht ein Buch oder entdecken neue Talente an uns. Mutter und Hausfrau sein hingegen sind keine Tätigkeiten, die in einer Leistungsgesellschaft mit Anerkennung belohnt werden. Es ist das Mindeste, sich vorbildlich zu kümmern und auch selbstverständlich dabei zufrieden zu sein. Man spricht nicht darüber, man will kein Lob dafür, man tut es einfach. Also habe ich versucht, wenigstens an den Vormittagen etwas für die positive Außenwahrnehmung zu tun. Und so habe ich mich wieder unter Druck gesetzt und gewundert, warum ich nicht zur Ruhe kommen kann.
Warum ist Auszeit anstrengend?
Mit getrübtem Geist habe ich also versucht, in den ersten drei Monaten einem gewissen Bild gerecht zu werden. Einfach mal müde und unzufrieden sein oder unproduktiv und schlecht darauf gehörte für mich nicht zu den erlaubten Optionen. Bis ich mich Ende Mai bei einem Kaffee gefragt habe, was ich eigentlich erreichen will und warum zum Geier die Auszeit so anstrengend ist.
Alles auf null: Die Ruhe in mir selbst finden
Dann habe ich mir fest vorgenommen, meine Erwartungen herunterzuschrauben und Wertschätzung für mich selbst zu kreieren. Ich wollte mich ab diesem Tag nicht mehr mit anderen, sondern mit mir selbst vergleichen. Mir wurde also schnell klar, zuerst beginnst du bei null. Füße hoch und Augen zu. Die Vormittage bestanden jetzt also daraus, keinen Plan zu haben. Und es begann nach und nach, Sinn zu ergeben. Ich war einfach komplett über der Uhr. Mit allem. Die ersten beiden Wochen war es erschreckend, wie schnell es 14 Uhr war und die Kinder wieder an der Tür standen. Aber ich bin ruhig geblieben und habe festgehalten an meiner Planlosigkeit. Das hat sich für mich zum Glück ausgezahlt. Ab Juli füllten sich die Akkus wieder und mit einer 14-tägigen Reise mit Freunden und Familie kam ich endlich wieder in meiner Mitte an. Nun hatte ich also noch den August vor mir und war fest entschlossen, diesen Zustand beizubehalten und zu festigen.
Wie Selbstliebe und Achtsamkeit dauerhaft kultivieren?
Zunehmend habe ich im letzten Monat damit verbracht, über die Sinnhaftigkeit von manifestierten gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenbildern nachzudenken. Wie lange kann höher, schneller, weiter noch gut gehen? Warum schreien alle nach Selbstverwirklichung und Achtsamkeit, während sie eigentlich eher Selbstzerstörung und Wahnsinn hinterherlaufen? Da mir diese Fragen aber viel zu groß vorkamen, um darauf Antworten zu finden, wollte ich gern für mich einige Leitplanken errichten, um künftig mit mehr Selbstliebe durchs Leben zu gehen.
In Zukunft möchte ich die Dinge, die ich tue, bewusst und nicht nebenbei machen. Ich möchte Pausen einlegen, die die Bezeichnung “Pause” verdienen. Ich will vor allem auf meine innere Stimme hören. Das bezieht sich auf alle Lebensbereiche, wie Familie, Freunde, Arbeit und Hobbys oder auch alles dazwischen. Mal sehen, wie gut das funktioniert...
Meine Auszeit war für mich in erster Linie lehrreich, sie hat mir aber auch gut getan und ich freue mich, diese Erfahrung gemacht zu haben.